Definition. Es sei $V$ ein Hilbertraum mit Skalarprodukt $\langle -,-\rangle$. Ein Endomorphismus $\phi$ von $V$ heißt normal, falls eine adjungierte Abbildung $\phi^*$ existiert und für alle Vektoren $v,v'\in V$ gilt
\[
\langle \phi^*(v),\phi^*(v')\rangle= \langle \phi(v),\phi(v')\rangle.\]
Bemerkung. Ein Endomorphismus $\phi$ ist genau dann normal, wenn eine adjungierte Abbildung $\phi^*$ existiert und die beiden Abbildungen vertauschen, d. h. es gilt $$\phi\circ\phi^*=\phi^*\circ\phi.$$ Vertauschen nämlich die beiden Abbildungen, so gilt $$ \langle \phi^*(v),\phi^*(v')\rangle= \langle \phi\phi^*(v),v'\rangle=
\langle \phi^*\phi(v),v'\rangle=
\langle \phi(v),\phi(v')\rangle.$$ Die erste Gleichung benutzt die Definition der Adjunktion, die zweite die Vertauschungseigenschaft und die dritte die Identität $\phi^{**}=\phi$.
Ist umgekehrt $\phi$ normal, so gilt für alle $v,v'\in V$ die Gleichung
\[\langle \phi\phi^*(v),v'\rangle=\langle \phi^*(v),\phi^*(v')\rangle= \langle \phi(v),\phi(v')\rangle=\langle \phi^*\phi(v),v'\rangle.\] Hier benutzt die erste Gleichung die Adjunktion und die Identität $\phi^{**}=\phi$, die zweite die Normalität, die dritte wiederum die Adjunktion. Aus dieser Identität schließen wir, dass für alle $v,v'\in V$ die Gleichung $$\langle (\phi\phi^*-\phi^*\phi)(v),v'\rangle=0$$ erfüllt ist. Wenden wir dies insbesondere an für den Vektor $v'=(\phi\phi^*-\phi^*\phi)(v)$, so folgt \[(\phi\phi^*-\phi^*\phi)(v)=0\] für alle $v\in V$ wegen der Definitheit des Skalarproduktes. Insbesondere gilt $\phi\phi^*=\phi^*\phi$.
Satz. Ist $\phi$ eine normaler Endomorphismus, so besitzen $\phi$ und $\phi^*$ dieselben Eigenvektoren: Ist $v$ Eigenvektor von $\phi$ zum Eigenwert $\lambda$, so auch Eigenvektor von $\phi^*$ zum Eigenwert $\overline\lambda$.
Beweis. Die zu $\phi-\lambda\cdot\mathrm{id}$ adjungierte Abbildung ist $\phi^*-\overline{\lambda}\cdot\mathrm{id}$, denn es gilt $$ \langle (\phi^*-\overline\lambda)(v),v'\rangle=
\langle \phi^*(v),v'\rangle-\langle\overline\lambda v,v'\rangle=\langle v,\phi(v')\rangle-\langle v,\lambda v'\rangle=\langle v,(\phi-\lambda)(v')\rangle.$$ Mit $\phi$ ist auch $\phi-\lambda\cdot\mathrm{id}$ normal. Dies folgt aus den Gleichungen \[(\phi-\lambda)\circ(\phi^*-\overline\lambda)=\phi\phi^*-\lambda\phi^*-\overline\lambda\phi +\lambda\overline\lambda=\phi^*\phi-\lambda\phi^*-\overline\lambda\phi +\lambda\overline\lambda=(\phi^*-\overline\lambda)\circ(\phi-\lambda).\] In der Normalitätsgleichung \[\langle (\phi-\lambda)v, (\phi-\lambda)v\rangle =\langle (\phi^*-\overline\lambda)v, (\phi^*-\overline\lambda)v\rangle\] ist die linke Seite gleich Null genau dann, wenn $v$ Eigenvektor von $\phi$ zum Eigenwert $\lambda$ ist. Die rechte Seite ist genau dann gleich Null, wenn $v$ Eigenvektor von $\phi^*$ zum Eigenwert $\overline\lambda$ ist. Die Aussage des Satzes folgt.
qed
Der wichtigste Satz über normale Endomorphismen lautet:
Satz. Es sei $V$ ein endlich dimensionaler, komplexer Vektorraum. Ein Endomorphismus $\phi$ ist genau dann normal, wenn $V$ eine ON-Basis von Eigenvektoren von $\phi$ besitzt.
Beweis. Wir nehmen zuerst an, $\phi$ sei normal und führen Induktion nach der Dimension von $V$. Im Falle $\dim V=0$ ist nichts zu zeigen. Die Induktionsvoraussetzung besagt, der Satz sei bewiesen für alle normalen Endomorphismen auf Vektorräumen der Dimension kleiner als $n$. Im Induktionsschritt $\dim V=n$ besitzt das charakteristische Polynom $\det(t-\phi)\in\mathbb C[t]$ nach dem Fundamentalsatz der Algebra eine Nullstelle $\lambda$. Die Abbildung $\phi-\lambda\cdot\mathrm{id}$ ist somit nicht invertierbar und besitzt einen nicht-trivialen Kern und damit einen Eigenvektor $v$ von $\phi$ zum Eigenwert $\lambda$. Wir setzen $$e_n:=\frac{v}{|v|}$$ und betrachten das orthogonale Komplement $U:=e_n^\perp$. Dies ist ein $(n-1)$-dimensionaler Untervektorraum. Nun ist $e_n$ auch Eigenvektor zu $\phi^*$ nach dem letzten Satz und damit gilt für alle $u\in U$ die Gleichungskette \[\langle e_n,\phi u\rangle =\langle \phi^*( e_n), u\rangle = \langle \overline\lambda\cdot e_n, u\rangle = \lambda\langle e_n, u\rangle =0.\] Es gilt also $\phi(U)\subset U$. Da die Einschränkung von $\phi$ auf den Unterraum $U$ notwendigerweise auch normal ist, können wir die Induktionsvoraussetzung anwenden und erhalten eine ON-Basis $e_1,\ldots,e_{n-1}$ von $U$, bestehend aus Eigenvektoren von $\phi$, die durch $e_n$ zu einer ON-Basis von $V$, bestehend aus Eigenvektoren, vervollständigt wird.
Ist umgekehrt $e_1,\ldots,e_n$ eine ON-Basis von Eigenvektoren von $\phi$ mit $\phi(e_k)=\lambda_k e_k$, so definieren wir eine lineare Abbildung $\psi$ durch die Vorschrift $\psi(e_k)=\overline\lambda_k e_k$. Diese Abbildung $\psi$ ist adjungiert zu $\phi$. Es reicht, dies auf einer Basis zu prüfen: \[\langle e_k,\phi e_l\rangle =\langle e_k,\lambda_l e_l\rangle
=\lambda_l\langle e_k, e_l\rangle=\lambda_l\delta_{k,l}=\lambda_k\delta_{k,l}=\langle \overline\lambda_ke_k, e_l\rangle=\langle \psi(e_k),e_l\rangle.\] Hier benuten wir das Kronecker-Delta
\[\delta_{k,l}=\begin{cases} 1&\text{falls $k=l$}\\0&\text{sonst}\end{cases}\]
qed
Dieser Satz gilt nicht für normale Endomorphismen eines reellen Vektorraumes: Die Adjungierte des durch die Matrix \begin{pmatrix}0&-1\\1&0\end{pmatrix} beschriebenen Endomorphismus $\phi$ von $\mathbb R^2$ ist $-\phi$. Also ist $\phi$ normal. Die Matrix lässt sich allerdings über den reellen Zahlen nicht diagonalisiseren: Das charakteristische Polynom $t^2+1$ besitzt keine reelle Nullstelle. Die beiden Nullstellen des Polynoms sind rein imaginär.
Im Reellen muss die Aussage des Satzes etwas modifiziert werden:
Satz. Es sei $V$ ein endlich dimensionaler, euklidischer Vektorraum. Ein Endomorphismus $\phi$ ist genau dann normal, wenn $V$ eine ON-Basis besitzt, bezüglich derer $\phi$ durch eine Matrix der Gestalt \begin{pmatrix}\lambda_1\\& \ddots\\ && \lambda_k\\ &&& A_{1}\\&&&& \ddots\\ &&&&& A_l \end{pmatrix} beschrieben wird, wobei $\lambda_1,\ldots,\lambda_k$ die reellen Eigenwerte von $\phi$ sind. Die Terme $A_1,\ldots,A_l$ bezeichnen reelle $2\times 2$-Matrizen der Form \[\begin{pmatrix}a&-b\\b&a \end{pmatrix}.\] Jede solche Matrix entspricht einem Paar $\lambda, \overline\lambda$ von konjugiert-komplexen Eigenwerten von $\phi$ der Form $\lambda=a+ib$.
Um diesen zweiten Satz zu beweisen, studieren wir etwas genauer, wie sich reelle und komplexe Vektorräume zueinander verhalten.