In diesem Kapitel betrachten wir Vektorräume über einem Körper $K$.
Definition. Es seien $U$ und $V$ Vektorräume. Eine Abbildung $b\colon U\times V\to K$ heißt Bilinearform, falls $b$ linear in beiden Einträgen ist. Für Elemente $u,u_i\in U$, sowie $v,v_i\in V$ und $k \in K$ gelten also die Identitäten
\begin{align*}
b(u, v_1+v_2)&=b(u, v_1)+b(u, v_2)
\\
b(u_1+u_2, v)&= b(u_1, v)+b(u_2, v) \\
b(k u, v)&=b(u, k v) = k b(u, v)
\end{align*}
Beispiele.
- Das reelle Standard-Skalarprodukt
\begin{eqnarray*}
\mathbb{R}^n \times
\mathbb{R}^n&\to&\mathbb{R}\\
(x,y)&\mapsto&\sum\limits^n_{i=1}x_i y_i = \langle x, y\rangle
\end{eqnarray*} Man bezeichnet mit $||x||\colon = \sqrt{\langle x,x\rangle}=\sqrt{\sum^n_{i=1}x_i^2}$ die Norm oder Länge des Vektors $x\in\mathbb{R}^n$. - Die Auswertungsabbildung von Linearformen ist bilinear
\begin{eqnarray*}
V^* \times V&\to& K\\
(f, v)&\mapsto& f(v).
\end{eqnarray*} - Die Determinante von $2\times 2$-Matrizen in folgender Form
\begin{eqnarray*}
K^2\times K^2&\to& K\\
(x_1, x_2), (y_1, y_2)&\mapsto& x_1 y_2 - x_2 y_1 =
\det \begin{pmatrix}x_1&x_2\\
y_1&y_2 \end{pmatrix}.
\end{eqnarray*} - Eine alternierende $2$-Form $\omega\in Alt^2(V)$ liefert eine Bilinearform \begin{eqnarray*}
V\times V&\to& K\\
(v,v')&\mapsto& \omega(v,v').
\end{eqnarray*} - Das Integral liefert ein sogenanntes $L^2$-Produkt
\begin{eqnarray*}
\mathcal{C}^0[a, b]\times \mathcal{C}^0
[a,b]&\to&\mathbb{R}\\
(f,g)&\mapsto& \int\limits^b_a f\cdot g\; \it{dt}.
\end{eqnarray*} - Eine $m\times n$-Matrix $A=(a_{ij})$ mit Einträgen in $K$ definiert eine Bilinearform
\begin{eqnarray*}
K^m\times K^n&\to& K\\
(x,y)&\mapsto& \sum_{i,j} \; a_{i j} x_i y_j=x^tAy.
\end{eqnarray*}
Tatsächlich liefert das letzte Beispiel in gewisser Weise schon das allgemeinste Beispiel einer Bilinearform auf endlich dimensionalen Vektorräumen: Sind nämlich $\mathcal{U}$ und $\mathcal{V}$ geordnete Basen von $U$ und $V$ mit Basisvektoren $u_i$ und $v_j$, so gilt für $u=\sum\; x_i u_i$ und $v=\sum\; y_j v_j$ wegen der Bilinearität von $b$
$$
b (u,v)=\sum_{i,j}\; x_i y_j\; b(u_i, v_j) = x^t
B y.
$$ Im rechts stehenden Ausdruck sind $x$ und $y$ Spaltenvektoren und $B$ eine Matrix des Formats $\dim U\times\dim V$ mit Einträgen $b(u_i,v_j)$ an der $(i,j)$-ten Stelle. Auf diese Weise erhalten wir eine neue Interpretation von Matrizen. Mit Hilfe von Matrizen lassen sich also zu vorgegebenen geordneten Basen sowohl Homomorphismen als auch Bilinearformen beschreiben. Man tut gut daran, diese beiden Erscheinungsformen, in denen Matrizen auftreten, auseinanderzuhalten.
Den Unterschied zwischen den Erscheinungsformen erkennt man an der Weise, wie sich die zugeordneten Matrizen bei Basiswechsel verhalten. Wir erinnern uns: Sind $\mathcal V$ und $\mathcal W$ geordnete Basen von $V$ und $W$ und $f:V\to W$ eine lineare Abbildung, so werden die Bilder der Basisvektoren beschrieben werden durch die Formel $$f(v_j)=\sum_i a_{ij}w_i.$$ Die zugeordnete Matrix $$M^\mathcal V_\mathcal W(f)=(a_{ij})$$ besitzt den Eintrag $a_{ij}$ in der $i$-ten Zeile und $j$-ten Spalte. Sind $\mathcal V'$ und $\mathcal W'$ weitere geordnete Basen von $V$ und $W$, so gilt $$M^{\mathcal V'}_{\mathcal W'}(f)=M^{\mathcal W}_{\mathcal W'}\cdot M^\mathcal V_\mathcal W(f)\cdot M^{\mathcal V'}_\mathcal V,$$ wobei $M^{\mathcal V'}_\mathcal V$ die Basiswechselmatrix $M^{\mathcal V'}_\mathcal V(\mathrm{id}_V)$ bezeichnet und analog $M^{\mathcal W}_{\mathcal W'}=M^{\mathcal W}_{\mathcal W'}(\mathrm{id}_W)$. Bei einer Bilienarform bekommen wir eine etwas andere Formel:
Satz. Die Bilinearform $b\colon U\times V\to K$ werde bezüglich der geordneten Basen $\mathcal{U,V}$ durch die Matrix ${}^\mathcal UB^\mathcal V$, bezüglich $\mathcal{U', V'}$ durch die Matrix ${}^{\mathcal U'}B^{\mathcal V'}$ beschrieben. Es bezeichne ${}^{\mathcal U'}_\mathcal UM$ die transponierte Matrix von $M^{\mathcal U'}_\mathcal U$. Dann gilt
$$
{}^{\mathcal U'}B^{\mathcal V'}={}^{\mathcal U'}_\mathcal UM\cdot {}^\mathcal UB^\mathcal V\cdot M^{\mathcal V'}_\mathcal V.
$$
Beweis. Die Einträge der Matrizen $M^{\mathcal U'}_\mathcal U=(t_{ki})$ und $M^{\mathcal V'}_\mathcal V=(s_{lj})$ werden durch die Darstellungen $u_i'=\sum_k t_{ki}u_k$ und $v_j'=\sum_l s_{lj}v_l$ der gestrichelten Basen als Linearkombinationen der ungestrichelten Basen bestimmt. Aus der Gleichung $$b(u_i',v_j')=\sum_{k,l}t_{ki}b(u_k,v_l)s_{lj}$$ folgt die Behauptung.
qed
Definition. Es sei $b:V\times V\to K$ eine Bilinearform.
- Die Bilinearform $b$ heißt regulär, wenn sie bezüglich einer (und damit jeder) Basis durch eine invertierbare Matrix dargestellt wird. Eine reguläre Bilinearform wird auch als inneres Produkt bezeichnet.
- Die Bilinearform $b$ heißt symmetrisch, falls $b(v, v')= b (v', v)$ gilt für alle $v, v'\in V$ und schiefsymmetrisch, falls $b(v, v')= - b(v', v)$ gilt für alle $v, v'\in V$.