Die verschiedenen Wurzeln der linearen Algebra reichen weit über 2000 Jahre zurück: Die Euklidische Geometrie entspringt dem griechischen Kulturkreis. In Persien, Indien und vor allem im alten China verstand man es schon weit vor der Zeitwende, lineare Gleichungen zu lösen. Die zugrunde liegenden Ideen und Rechenmethoden sind Ihnen in der einen oder anderen Form sicher schon öfters begegnet und vielfach sehr vertraut. Insoweit wird dies eine sehr einfache Vorlesung werden. Die Schwierigkeiten der Vorlesung liegen in der abstrakten Begriffsbildung. Die Jahrtausende sind nicht spurlos an den ursprünglichen Ideen vorübergegangen. Sowohl die Euklidische Geometrie als auch die Rechenmethoden der alten Chinesen stellen sich heute dar als verschiedene Konkretisierungen eines sehr viel allgemeineren Konzeptes, die eine geometrisch anschaulich, die andere algorithmisch und exakt.
Die zentralen Begriffe dieses Konzeptes und damit der Vorlesung lauten Vektorraum und lineare Abbildung. Zu Beginn werden Ihnen diese Begriffe sehr abstrakt und abgehoben vorkommen. Es dauert meist seine Zeit und kostet viel Mühe, sich an so abstrakte Begriffe zu gewöhnen. Dazu müssen Sie sich intensiv mit der Materie befassen: Denken Sie sich Fragen aus; spüren Sie die Fehler, die ich sicher machen werde, auf! Und vor allem, lösen Sie mathematische Probleme. Die Übungen sollen Ihnen dabei helfen. Der zu vermittelnde Stoff ist wichtig für Ihr weiteres Studium. Ich will Ihnen nichts vormachen: das Wenigste davon werden Sie später im Beruf anwenden. Aber das ist nicht der Punkt. Das Ziel ist, mathematisch denken zu lernen. Der Weg dahin ist nicht viel anders als würden Sie ein Instrument spielen lernen. Sie müssen üben und üben. Damit Sie später Symphonien spielen können, fangen wir jetzt erst mal mit Tonleitern und einfachen Melodien an. Ich hoffe, Sie finden auch daran Ihren Spaß.