Ziel dieses Abschnitts ist es, in sinnvoler Weise eine Topologie auf der Menge $\mathcal C(X,Y)$ der stetigen Abbildungen $f\colon X\to Y$ zwischen topologischen Räumen $X$ und $Y$ zu definieren. Es gibt im Allgemeinen viele Möglichkeiten, den jeweiligen Erfordernissen entsprechend solche Topologien zu konstruieren. Wir sehen uns die sogenannte KO-Topologie näher an. Bevor wir uns an die Arbeit machen, wollen wir uns zuerst über das Ziel der Mühe klar werden:
4.5.1. Wunschliste. Topologien auf Abbildungsräumen erfüllen idealerweise Folgendes:
Der zu besprechenden KO-Topologie ist die Erfüllung des ersten Wunsches in die Wiege gelegt. Die beiden anderen Wünsche werden leider nicht von allen Räume erfüllt, jedoch von lokal kompakten Quellräumen.
Für Teilmengen $K\subset X$ und $V\subset Y$ sei $$W(K,V):= \{f\in \mathcal C(X,Y)\mid f(K)\subset V\}.$$
4.5.2. Definition. Die KO-Topologie auf $\mathcal C(X,Y)$ wird erzeugt von der Subbasis $$\mathcal S:=\{W(K,V)\mid K\subset X \text{ kompakt}, V\subset Y \text{ offen}\}.$$
4.5.3 Satz. Die KO-Topologie auf $\mathcal C(X,Y)$ definiert einen Bifunktor $$\mathcal C(\,\_\,,\,\_\,)\colon \mathcal{TOP}^{opp}\times \mathcal{TOP}\to \mathcal{TOP}.$$
Beweis. Sind $\phi\colon X\to X'$ und $\psi\colon Y'\to Y$ stetig, $K\subset X$ kompakt und $V\subset Y$ offen, so sind auch $\phi(K)\subset X'$ kompakt und $\psi^{-1}(V)\subset Y'$ offen und $$\mathcal C(\phi,\psi)^{-1}\left(W(K,V)\right)=W\left(\phi(K),\psi^{-1}(V)\right).$$qed
Das war einfach, fast zu einfach. Die KO-Topologie ist offensichtlich genau für dieses Argument passend gemacht. Kann so etwas alltagstauglich sein? Wir testen die KO-Topologie an einem aus der Analysis bekannten Beispiel: Es sei $X$ kompakt und $\left(Y,d_Y\right)$ metrisch. Dann definiert $$d_{\mathcal C(X,Y)}(f,g):= \max_{x\in X}d_Y\left(f(x),g(x)\right)$$ eine Metrik auf dem Raum der stetigen Funktionen. Diese ist aus der Analysis als Metrik der gleichmäßigen Konvergenz bekannt: Dort zeigt man, dass Grenzwerte gleichmäßig konvergenter Folgen stetiger Abbildungen wieder stetig sind (man vergleiche Satz 5.5.5).
4.5.4 Satz. Ist $X$ kompakt und $Y$ metrisch, so stimmt die KO-Topologie auf $\mathcal C(X,Y)$ mit der metrischen Topologie der gleichmäßigen Konvergenz überein.
Beweis.
- Für $K\subset X$ kompakt und $V\subset Y$ offen ist $W(K,V)$ offen in der metrischen Topologie: Ist $f\in W(K,V)$, so gibt es zu jedem $y\in f(K)$ ein $\varepsilon_y\gt 0$ mit $U_{\varepsilon_y}(y)\subset V$ und eine endliche Teilmenge $Y_0\subset f(K)$ mit $$f(K)\subset \bigcup_{y\in Y_0}U_{\varepsilon_y/2}(y).$$ Ist $d_{\mathcal C(X,Y)}(f,g)\lt \tfrac12\min_{y\in Y_0}\varepsilon_y=:\tfrac\varepsilon2$, so gibt es für jedes $k\in K$ ein $y\in Y_0$ mit $$g(k)\in U_{\varepsilon/2}(f(k)) \subset U_{\varepsilon}(y_0)\subset V.$$
- Für $f\colon X\to Y$ und $\varepsilon\gt 0$ ist die $\varepsilon$-Umgebung von $f$ offen in der KO-Topologie: Für jedes $x\in X$ sei $V(x)$ die $\varepsilon/2$-Umgebung von $f(x)$. Deren Urbild enthält eine kompakte Umgebung $K(x)$ von $x$, nämlich das Urbild der abgeschlossenen $\varepsilon/3$-Umgebung von $f(x)$. Es gibt eine endliche Menge $X_0\subset X$ mit $$X=\bigcup_{x\in X_0}K(x) \quad\text{ und folglich } \quad f\in \bigcap_{x\in X_0}W\left(K(x),V(x)\right).$$ Für jedes $g$ in dieser Menge gilt $d_{\mathcal C(X,Y)}(f,g)\lt \varepsilon$: Jedes $x'\in X$ liegt in einem $K(x)$. Dann liegen $f(x')$ und $g(x')$ in $V(x)$, haben also zu $f(x)$ jeweils einen Abstand kleiner als $\varepsilon/2$. Ihr Abstand zueinander ist somit kleiner als $\varepsilon$.
qed