1. Grundlagen

Zahlen, Geraden, die euklidische Ebene, die meisten mathematischen Objekte sind Idealisierungen in der Natur auftretender Phänomene. Als Idealisierung existieren solche Objekte letztlich nur in unserer Phantasie. Wie können wir entscheiden, ob Aussagen, die wir über diese Objekte treffen, richtig oder falsch sind? Die Naturwissenschaften haben die Natur als obersten Schiedsrichter. Theoretische Physiker mögen sich Modelle ausdenken. Ob die Modelle etwas taugen, entscheiden Experimente. In der Mathematik steht uns kein solcher oberster Schiedsrichter zur Seite. Es ist verlockend, die Anschauung zum Schiedsrichter zu wählen. Dies aber wäre keine gute Idee. Anschauung ist äußerst hilfreich in der Geometrie. Doch führt sie zu leicht in die Irre. Die Werbung oder Hollywood, ganze Wirtschaftszweige leben davon, uns -oft mit unserem Einverständnis- mit Bildern zu täuschen. Augenfällig wird dies beispielsweise in den Werken von M. C. Escher.Escher: Wasserfall Jedes Element des Wasserfall-Bildes gibt ein realistischen Abbild von etwas, was uns im täglichen, realen Leben begegnen könnte. Nur in der Gesamtschau merkt man, dass diese Details sich nicht zu einem realistischen Bild zusammenfügen.

Um nicht in die Irre zu gehen, müssen wir also einige Vorsichtsmaßnahmen treffen, die der Tatsache Rechnung tragen, dass wir weder die Natur als universellen Schiedsrichter zur Verfügung haben noch uns auf unsere Anschauung verlassen können. Wir müssen sorgfältig und nach festen Spielregeln vorgehen. An Stelle von Experimenten benutzen wir in der Mathematik Beweise, um die Richtigkeit einer Aussage zu begründen.

Wenn ich Ihnen eine mathematische Aussage beweisen will, so führe ich Tatsachen an, von denen ich meine, dass diese von Ihnen ohne weitere Begründung sofort akzeptiert werden. Ferner benutze ich Schlussweisen, von denen ich meine, dass auch diese von Ihnen akzeptiert werden. Aufgrund solcher Schlussweisen folgere ich aus den bereits akzeptierten Tatsachen, dass die von mir behauptete Aussage tatsächlich gilt. Hierbei liegt die Betonung immer auf dem Wort akzeptiert. Um überhaupt beginnen zu können, müssen wir uns auf Grundtatsachen einigen, die wir nicht - zumindest nicht ohne Not - weiter hinterfragen wollen. Die Grundtatsachen nennt man Axiome oder Prinzipien. Um diese zu formulieren, benutzen wir Grundbegriffe, wie zum Beispiel Zahlen, Länge, Strecke, Gerade oder Menge, die bestenfalls eine Vorstellung suggerieren mögen, letztlich aber nicht weiter definiert sind.

Was für einen realen Grund gibt es, sich mit der Mathematik, die ja nur aus Fiktionen besteht, zu beschäftigen? Die Antwort liegt in der umfassenden Anwendbarkeit der Mathematik und insbesondere der Geometrie. Angefangen bei Architektur und Maschinenbau bis hin zur interplanetarischen Raumfahrt, überall erweisen sich die Konzepte der Geometrie als erstaunlich exakte umd oft entscheidende Hilfsmittel.

-------------
Bildquelle: http://en.wikipedia.org/wiki/File:Escher_Waterfall.jpg (zum Copyright vergleiche die dort erläuterte Rechtssituation)

Unterstützt von Drupal