Wir betrachten nun wieder metrische Räume.
Definition. Es sei $f\colon (M,d)\to (M',d')$ eine Abbildung zwischen metrischen Räumen.
Bemerkungen.
- Ist die Funktion $f$ Lipschitz-stetig mit Lipschitz-Konstante $L$, so ist sie insbesondere gleichmäßig stetig: Zu einem gegebenen $\varepsilon$ setze man $\delta=\frac{\varepsilon}{L}.$
- Eine gleichmäßig stetige Funktion ist insbesondere stetig.
- Als Beispiel einer Lipschitz-stetigen Funktion betrachten wir für einen fixierten Punkt $m_0$ in einem metrischen Raum $(M,d)$ die Abstandsfunktion zu diesem Punkt \begin{aligned}
d(m_0, \_\, )\colon (M,d) &\to (R,|\_|)\\
m&\mapsto d(m_0,m).
\end{aligned} Diese ist Lipschitz-stetig mit Konstante $L=1$. Um dies zu verifizieren, müssen wir die Funktion $d(m_0,\_\,)$ an Punkten $m_1$ und $m_2$ auswerten. Der Differenzbetrag beschreibt die Distanzfunktion auf $\mathbb R$. Die Lipschitz-Bedingung nimmt damit die Form $$\left| d(m_0,m_1) - d(m_0,m_2)\right| \le d(m_1,m_2)$$ an und folgt unmittelbar aus der Dreiecksungleichung. - Ist $(M,d_M)$ ein metrischer Raum, so ist durch $$d_{M\times M}\left((x_1,y_1),(x_2,y_2)\right):=d_M(x_1,x_2)+d_M(y_1,y_2)$$ für $(x_i,y_i)\in M\times M$ eine Metrik $d_{M\times M}$ auf $M\times M$ definiert. Betrachten wir die Metrik $d_M$ als Abbildung $d_M\colon (M\times M,d_{M\times M})\to(\mathbb R,|\_|)$ zwischen metrischen Räumen, so ist auch diese Lipschitz-stetig mit Konstante $L=1$. Denn es gilt $$\left| d_M(x_1,y_1) -d_M(x_2,y_2)\right|\le d_M(x_1,x_2)+d_M(y_1,y_2) = d_{M\times M}\left((x_1,y_1),(x_2,y_2)\right).$$ Diese Ungleichung war schon in den Übungen zum Beweis der Stetigkeit von $d_M$ behandelt worden. Hier noch einmal das Argument: Zweimalige Anwendung der Dreiecksungleichung liefert $$d_M(x_1,y_1)\le d_M(x_1,x_2) + d_M(x_2,y_2)+d_M(y_2,y_1)$$ und damit die Ungleichung $$d_M(x_1,y_1)-d_M(x_2,y_2)\le d_M(x_1,x_2) +d_M(y_1,y_2).$$ Wiederum zweimalige Anwendung der Dreiecksungleichung liefert ebenso $$d_M(x_2,y_2)\le d_M(x_2,x_1) + d_M(x_1,y_1)+d_M(y_1,y_2)$$ und damit die Ungleichung $$d_M(x_2,y_2)-d_M(x_1,y_1)\le d_M(x_1,x_2) +d_M(y_1,y_2).$$ In der Zusammenschau ergibt sich die behauptete Ungleichung.
Definition. Eine Folge $(x_\nu)_{\nu\in \mathbb N}$ in einem metrischen Raum $ (M,d)$ heißt Cauchy-Folge, wenn es zu jeder Toleranzgrenze $\varepsilon\gt 0$ ein $N\in\mathbb N$ gibt mit $$d(x_\nu,d_\mu)\lt \varepsilon \quad \text{ für alle } \nu,\mu\ge N.$$
Eine konvergente Folge ist eine Cauchy-Folge: Ist $x$ der Grenzwert der Folge $(x_\nu)_{\nu\in \mathbb N}$, so gibt es zu jeder jeder Toleranzgrenze $\varepsilon\gt 0$ ein $N\in\mathbb N$ mit $d(x,x_\nu)\lt \frac{\varepsilon}{2}$ für $\nu\ge N$. Mit der Dreiecksungleichung folgt $$d(x_\nu,x_\mu)\le d(x_\nu,x)+d(x,x_\mu)\lt \frac{\varepsilon}{2}+\frac{\varepsilon}{2}=\varepsilon\quad \text{ für alle } \nu,\mu\ge N.$$
Die Umkehrung gilt im Allgemeinen nicht! Es ist eine Eigenschaft des metrischen Raumes, dass alle Cauchy-Folgen konvergieren. Cauchy-Folgen geben sich redlich Mühe, zu konvergieren. Wenn dies nicht gelingt, so weil an der Stelle, an der ein Grenzwert liegen sollte, ein solches Element fehlt. Ein metrischer Raum wird als vollständig bezeichnet, wenn so etwas nicht vorkommt.
Definition. Ein metrischer Raum heißt vollständig, wenn in ihm jede Cauchy-Folge konvergiert.
Beispiele.
- Im vergangenen Semester sahen wir, dass $\mathbb R$ und $\mathbb C$ vollständig waren bezüglich der durch den Differenzbetrag beschriebenen Metrik. Die rationalen Zahlen $\mathbb Q$ dagegen sind nicht vollständig.
- Wir betrachten den Vektorraum $\mathbb R^\infty$ der Vektoren $x=(x_1,x_2,\ldots)$, bei denen nur endlich viele der Einträge $x_\nu\in \mathbb R$ ungleich Null sind. Als Metrik nehmen wir $$d\left(x,y\right) =
\max\limits_{\nu}|x_\nu-y_\nu|.$$ Im Vektorraum $\mathbb R^\infty$ betrachten wir die Folge $(v_n)_{n\in \mathbb N}$ von Vektoren der Form $$v_n=\left(1, \frac{1}{2}, \frac{1}{3}, \ldots,
\frac{1}{n}, 0,\ldots\right).$$ Diese Folge von Vektoren ist eine Cauchy-Folge und versucht, gegen einen Grenzwert $$
v_\infty=\left(1, \frac{1}{2}, \frac{1}{3}, \ldots, \frac{1}{n},\ldots\right).
$$ zu konvergieren. Dieser ist allerdings kein Element des Vektorraums $\mathbb R^\infty$.
Banachscher Fixpunktsatz 5.3.1. Es sei $M$ ein nicht leerer, vollständiger metrischer Raum und $f\colon M\to M$ eine Kontraktion mit Lipschitz-Konstante $L\lt 1$. Dann
$$d(x_\nu,m)\le \frac{L^{\nu-1}}{1-L}d(x_1,x_2).$$
Beweis Zuerst die Eindeutigkeit eines Fixpunktes: Sind $m$ und $m'$ Fixpunkte, so gilt $$d(m,m')=d\left(f(m),f(m')\right)\le L\cdot d(m,m').$$ Wegen $L\lt 1$ ist dies nur möglich, wenn $d(m,m')=0$. Wegen der Definitheit der Metrik folgt $m=m'$.
Zur Existenz betrachten wir zu einem gegebenem Punkt $x_1\in M$ die rekursiv definierte Folge $(x_\nu)_{\nu\in\mathbb N}$ mit $x_{\nu+1}:=f(x_\nu)$. Es gilt $$d(x_{\nu+1},x_{\nu+2})=d\left(f(x_\nu),f(x_{\nu+1})\right)\le L\cdot d(x_{\nu},d_{\nu+1})$$ und induktiv $$d(x_{\nu+1},d_{\nu+2})\le L^{\nu}\cdot d(x_{1},d_2).$$ Wiederholte Anwendung der Dreiecksungleichung liefert für $\nu\lt \mu$ die Abschätzung \begin{aligned}
d(x_\nu,x_\mu)&\le \sum_{k=0}^{\mu-\nu-1}d(x_{\nu+k},x_{\nu+k+1})\\
&\le \left(\sum_{k=0}^{\mu-\nu-1}L^{\nu-1+k}\right) d(x_1,x_2)\\
&\le L^{\nu-1}\left(\sum_{k=0}^\infty L^{k}\right) d(x_1,x_2)\\
&=\frac{L^{\nu-1}}{1-L}d(x_1,x_2).
\end{aligned} Somit ist $(x_\nu)_{\nu\in\mathbb N}$ eine Cauchy-Folge, die im vollständigen metrischen Raum $M$ gegen einen Grenzwert $m$ konvergiert. Da $f$ die Folge $(x_\nu)_{\nu\in\mathbb N}$ bis auf Verschiebung des Index in sich selbst abbildet, gilt $f(m)=m$. Die Abschätzung $$d(x_\nu,x_\mu)\le \frac{L^{\nu-1}}{1-L}d(x_1,x_2)$$ gilt für jedes Folgenglied $x_\mu$ mit $\mu\gt \nu$. Da die Funktion $d(x_\nu,\_\,)\colon M\to \mathbb R$ stetig ist, gilt die Abschätzung auch für den Grenzwert der Folge $(x_\mu)$, das heißt es gilt $$d(x_\nu,m)\le \frac{L^{\nu-1}}{1-L}d(x_1,x_2).$$qed
Beispiele.
- Es sei $f\colon [a,b]\to [a,b]$ eine differenzierbare Funktion, so dass für alle $x\in [a,b]$ gilt $\left| f'(x)\right| \le L\lt 1$ (zum Beispiel $f(x)=\cos(x)$ im Intervall $[-1,1]$). Dann ist $f$ eine Kontraktion, denn es gilt $$\left| f(x)-f(y)\right|
= \left| \int_x^yf'(t)\,dt \right| \le \int_x^y \left| f'(t)\right|\,dt \le |x-y| \sup_{t\in [a,b]}\left| f'(t)\right| \le L\cdot |x-y|.$$ Aus dem Banachschen Fixpunktsatz folgt, dass die es genau ein $x\in [a,b]$ gibt mit $f(x)=x$ und außerdem erhält man diesen Fixpunkt als Grenzwert der rekursiv definierten Folge $x_{n+1}:=f(x_n)$ für ein beliebig gewähltes $x_1\in [a,b]$. - Sie breiten auf einer Wanderung die Wanderkarte der Gegend auf dem Boden aus. Dann beschreibt genau ein Punkt der Karte den Punkt, auf dem er liegt.
Um den Banachschen Fixpunktsatz gebührend anwenden zu können, müssen wir uns etwas näher mit der Frage der Vollständigkeit metrischer Räume auseinandersetzen.