Es sei $J$ eine Indexmenge und für jedes $j\in J$ sei $Y_j$ ein topologischer Raum. Die disjunkte Vereinigung $X=\coprod_{j\in J} Y_j$ besteht aus allen Paaren $(y,j)$ mit $y\in Y_j$ und $j\in J$.
2.5.1. Definition. Die Finaltopologie bezüglich der Inklusionen $$\iota_k\colon Y_k\to \coprod_{j\in J}Y_j\,;\quad y\mapsto (y,k)$$ heißt Summentopologie.
Die Teilmenge von $U\subset \coprod_{j\in J}Y_j $ ist genau dann offen, wenn sie von der Form $U= \coprod_{j\in J}U_j $ für eine Familie offener Teilmengen $U_j\subset Y_j$ ist. Die Abbildungen $\iota_k$ sind offene Einbettungen.
2.5.2. Universelle Eigenschaft der Summentopologie. Die Summentopologie auf $\coprod_{j\in J} Y_j$ ist die eindeutig bestimmte Topologie, für die gilt:
Die disjunkte Summe zweier Räume $X$ und $Y$ wird auch mit $X\sqcup Y$ bezeichnet. Dual zum Pullback oder Faserprodukt ist das Pushout: Es seien $X,Y,A$ topologische Räume, $f\colon A\to X$ und $g\colon A\to Y$ stetige Abbildungen. Das Pushout ist ist definiert als der Quotientenraum $$X\sqcup_AY:=\left(X\sqcup Y\right)/\sim$$ modulo der von $f(a)\sim g(a)$ für $a\in A$ erzeugten Äquivalenzrelation. Das Pushout kommt mit stetigen Abbildungen $\iota_X\colon X\to X\sqcup_BY$ und $\iota_Y\colon X\sqcup_AY\to Y$, nämlich den beiden Inklusionsabbildungen, gefolgt von der Quotientenabbildung.
2.5.3. Universelle Eigenschaft des Pushouts. Für einen topologischen Raum $T$ seien stetige Abbildungen $p\colon X\to T$ und $q\colon Y\to T$ gegeben mit $pf=qg\colon A\to T$. Dann gibt es eine eindeutig bestimmte stetige Abbildung $\gamma\colon X\sqcup_AY\to T$, für die gilt $\gamma \iota_X=p$ und $\gamma \iota_Y=q$.
Beweis. Die Aussage kombiniert 2.5.2 und 2.4.3.
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2.5.4. Beispiele.
- Ist $A\subset X$ Unterraum, so schreibt man $X/A$ für den Pushout der Inklusion $A\hookrightarrow X$ und der Abbildung von $A$ auf den Einpunktraum $\{*\}$. Man sagt, $X/A$ entstehe aus $A$ durch Zusammenschlagen von $A$ zu einem Punkt.
- Man beachte den Spezialfall $A=\emptyset$. Hier ist $X/\emptyset = X\sqcup \{*\}$.
- Es sei $f\colon S^{n-1}\to X$ eine stetige Abbildung. Das Pushout $X\sqcup_{S^{n-1}}D^n$, wobei $g\colon S^{n-1}\to D^n$ die Inklusion der Sphäre als Rand der $n$-dimensionalen Scheibe $D^n:=\{x\in \mathbb R^n\mid \|x\|\le 1\}$ ist, wir Ankleben einer $n$-dimensionalen Zelle vermittels der Abbildung $f$ genannt und mit $X\sqcup_fD^n$ bezeichnet.
2.5.5. Proposition. Der projektive Raum $\mathbb RP^n$ entsteht aus der leeren Menge durch sukzessives Ankleben von $k$-Zellen für $k=0,\ldots, n$ vermittels der Quotientenabbildungen $\pi_{k-1}\colon S^{k-1}\to\mathbb RP^{k-1}$.
Beweis. Wir zeigen, dass $\mathbb RP^n$ aus $\mathbb RP^{n-1}$ durch Ankleben einer $n$-Zelle vermittels $\pi_{n-1}$ entsteht. Die Abbildung \begin{align} g\colon D^n&\to S^n\\ x&\mapsto \left(x,\sqrt{1-\|x\|^2}\right)\end{align} projiziert die Scheibe auf die nördliche Halbsphäre. Die Komposition $\pi_n\circ g$ ist surjektiv, und injektiv auf dem Inneren $D^n\setminus S^{n-1}$ der Scheibe. Der Rand der Scheibe wird mittels $\pi_{n-1}$ auf den abgeschlossenen Unterraum $\mathbb RP^{n-1}\subset \mathbb RP^{n}$ der in der Hyperebene $\mathbb R^n\times \{0\}\subset \mathbb R^{n+1}$ liegenden Geraden abgebildet. Die nach der universellen Eigenschaft des Pushouts definierte stetige Abbildung $$\gamma\colon \mathbb RP^{n-1}\sqcup_{\pi_{n-1}}D^n\to \mathbb RP^n$$ ist somit zumindest bijektiv.
Um zu zeigen, dass $\gamma $ auch ein Homöomorphismus ist, wenden wir 2.4.6. an. Es reicht zu zeigen, dass die Abbildung $$\pi_{n-1}\sqcup (\pi_n\circ g)\colon S^{n-1}\sqcup D^n\to \mathbb RP^n$$ abgeschlossen ist. Das ist aber einfach: Ist $ A\subset S^k$ abgeschlossen, so ist $\pi_k^{-1}\circ \pi_k(A)=A\cup (-A)$ als Vereinigung zweier abgeschlossener Mengen abgeschlossen in $S^n$, und folglich $\pi_k(A)\subset \mathbb RP^k$ ebenfalls. Da $g\colon D^n\to S^n$ eine abgeschlossene Einbettung ist, liefert dies die Behauptung.
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