Eigenschaften der komplexen Zahlen

Die Zuordnung \(a\mapsto (a,0)\) bildet den Körper \(\mathbb R\) injektiv nach \(\mathbb C\) ab. Diese Abbildung ist ein Körperhomomorphismus, d.h. sie bildet Nullen und Einsen jeweils aufeinander ab und ist mit allen Rechenoperationen verträglich. Wir identifizieren \(\mathbb R\) mit dem Bild unter dieser Abbildung, fassen also \(\mathbb R\) als Unterkörper von \(\mathbb C\) auf, und schreiben \((a,0)=a\) für alle \(a\in \mathbb R\), Das Element \(i:=(0,1)\) heißt imaginäre Einheit. Mit seiner Hilfe können wir nun beliebige komplexe Zahlen wie folgt schreiben: \[ (a,b)=(a,0)+(0,b)=(a,0)+(b,0)\cdot (0,1)=a+bi.\] Der entscheidende Vorteil der komplexen Zahlen gegenüber den reellen Zahlen liegt in der Gleichung \[i^2=(0,1)^2 =(-1\cdot 1,0)=-1.\]In \(\mathbb C \) besitzen auch negative Zahlen Quadratwurzeln. Das hat seinen Preis:

Satz 1.7.2. Der Körper \(\mathbb C\) besitzt keine Ordnung.

Beweis. In einem geordneten Körper \(\mathbb K\) gilt für alle \(k\in \mathbb K\) stets \(k^2\ge 0\) und \(-1\lt 0\). In \(\mathbb C\) dagegen gilt \(i^2=-1\).
qed

Ist \(z=(a,b)\in\mathbb C\), so heißt \(\Re(z):=a\) der Realteil und \(\Im(z):=b\) der Imaginärteil von \(z\). Ferner ist \(\overline{z}:=a-bi\) die zu \(z\) konjugiert komplexe Zahl und \[|z|:=\sqrt{\Re(z)^2+\Im(z)^2}\] der Absolutbetrag von \(z\). Die komplexen Zahlen können geometrisch durch Punkte in der sogenannten Gaußschen Zahlenebene dargestellt werden:

komplexe Zahl

Der Zahl \(z\) entspricht ein Punkt mit den Koordinaten \(\left(\Re(z),\Im(z)\right)\). Der Absolutbetrag \(|z|\) ist der Abstand vom Koordinatenursprung. Die zu \(z\) konjugierte Zahl \(\overline{z}\) erhält man durch Spiegelung an der \(x\)-Achse. In diesem Bild entspricht die Addition zweier komplexer Zahlen der Vektoraddition.

Die Konjugationsabbildung \(z\mapsto \overline{z}\) respektiert Addition und Multiplikation \begin{matrix}
\overline{z_1+z_2}&=&\overline{z_1}+\overline{z_2},\quad \overline{z_1\cdot z_2}&=&\overline{z_1}\cdot
\overline{z_2}.\end{matrix} Der Absolutbetrag lässt sich wegen \[z\cdot\overline{z}=\left(\Re(z)+\Im(z)i\right)\cdot\left(\Re(z)-\Im(z)i\right)=\Re(z)^2+\Im(z)^2\] auch in der Form \[|z|=\sqrt{z\overline{z}}\] darstellen.

Satz 1.7.3. Für den Absolutbetrag gelten die Rechenregeln \begin{aligned}|z_1\cdot z_2|&=|z_1|\cdot|z_2|\\ |z_1+z_2| &\le
|z_1|+|z_2|.\end{aligned}

Beweis. Die erste Gleichung gilt wegen \[|z_1\cdot z_2|=\sqrt{z_1z_2\overline{z_1z_2}}=\sqrt{z_1\overline{z_1}}\sqrt{z_2\overline{z_2}}=|z_1|\cdot|z_2|.\] Die Summe komplexer Zahlen wird beschrieben durch die Vektoraddition in der Gaußschen Ebene. Folglich liefert die Dreiecksungleichung (1.6.16) für den Fall von Vektoren im \(\mathbb R^2\) die Ungleichung \[|z_1+z_2|\; \le\;
|z_1|+|z_2|.\] qed

Die Multiplikation in den komplexen Zahlen lässt sich geometrisch als Drehstreckung deuten. Jede komplexe Zahl \(z\neq 0\) lässt sich als Produkt des Absolutbetrags und einer Zahl \(\zeta=\frac{z}{|z|}\) vom Betrag 1 schreiben \[
z=|z|\cdot \zeta,\; |\zeta|=1.
\] Die Multiplikation mit \(|z|\) lässt sich geometrisch als eine zentrische Streckung der Gaußschen Ebene mit dem Koordinatenursprung als Zentrum veranschaulichen.

Die Multiplikation mit \(\zeta = c+di\) bildet die komplexe Ebene auf sich ab. Sie bildet den Punkt \((1,0)\) der Gaußschen Ebene auf den Punkt \((c,d)\), den Punkt \((0,1)\) auf \((-d,c)\) ab. Die Vektoren \(\zeta=(c,d)\) und \(\zeta\cdot i=(-d,c)\) stehen als Vektoren in der Ebene senkrecht zueinander. Jede komplexe Zahl \(w\) ist reelle Linearkombination \(w=x+yi\) der beiden Vektoren \((1,0)\) und \((0,1)\) mit \(x,y\in \mathbb R\). Das Bild \(\zeta\cdot w=x\zeta+y\zeta\cdot i\) ist ebenso reelle Linearkombination der beiden Vektoren \((c,d)\) und \((-d,c)\). Insgesamt ist Multiplikation mit \(\zeta\) also eine lineare Abbildung der Gaußschen Ebene in sich, welche Längen erhält und rechte Winkel erhält. Eine derartige lineare Abbildung kann nur eine Drehung oder eine Achsenspiegelung sein. Bei einer Achsenspiegelung gäbe es Vektoren \(w\not=0\), die in sich abgebildet würden. Aus der Gleichung \(\zeta\cdot w=w\) würde dann folgen \(1-\zeta=0\), d.h. Multiplikation mit \(\zeta\) wäre die identische Abbildung. Das kann nicht sein. Folglich ist die Multiplikation mit \(\zeta\) eine Drehung der Gaußschen Ebene um den Koordinatenursprung, welche die \(1\) in \(\zeta\) überführt. Insgesamt ist die Multiplikation mit \(z\) also eine Drehstreckung.

komplexe Multiplikation

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