Ist $R$, wie in diesem Abschnitt, eine Hauptidealring, so sind $R$-Moduln genau dann projektiv, wenn sie frei sind. Außerdem sind Untermoduln freier Moduln wieder frei. Das erste Resultat ist rein algebraisch.
2.4.1. Universelles Koeffiziententheorem. Es sei $P_*$ ein projektiver Kettenkomplex und $M$ ein $R$-Modul. Dann gibt es für jedes $n$ kurze exakte Sequenzen von $R$-Moduln $$\begin{gather*}
0\to H_n(P_*)\otimes_R M\xrightarrow{\alpha_n} H_n(P_*\otimes M)\xrightarrow{\beta_n} \mathrm{Tor}_1^R\left(H_{n-1}(P_*),M\right)\to 0\\
0\to \mathrm{Ext}^1_R\left(H_{n-1}(P_*),M\right)\xrightarrow{\beta^n} H^n\left(\mathrm{Hom}_R(P_*, M)\right)\xrightarrow{\alpha^n} \mathrm{Hom}_R\left(H_n(P_*),M\right)\to 0.\end{gather*}
$$ Diese Sequenzen sind natürlich in $P_*$ und $M$. Es gibt Spaltungen $\sigma_n$ und $\sigma^n$ von $\beta_n$ und $\beta^n$. Diese sind natürlich in $M$, jedoch nicht in $P_*$.
Die erste der beiden kurzen exakten Sequenzen nennt man das UKT für Homologie, die zweite kurze exakte Sequenz das UKT für Kohomologie. Angewandt auf den Fall des singulären Kettenkomplexes $P_*=C_*^{sing}(X,A;R)$ eines topologischen Raumpaares, erhält man als Korollar die beiden universellen Koeffiziententheoreme für Homologie und Kohomologie:
2.4.2. Universelles Koeffiziententheorem für Raumpaare. Es sei $(X,A)$ ein Raumpaar und $M$ ein Modul über dem Hauptidealring $R$. Dann gibt es für jedes $n$ kurze exakte Sequenzen von $R$-Moduln $$\begin{gather*}
0\to H_n(X,A;R)\otimes_RM\xrightarrow{\alpha_n} H_n(X,A;M)\xrightarrow{\beta_n} \mathrm{Tor}_1^R\left(H_{n-1}(X,A;R),M\right)\to 0\\
0\to \mathrm{Ext}^1_R\left(H_{n-1}(X,A;R),M\right)\xrightarrow{\beta^n} H^n\left(X,A;M\right)\xrightarrow{\alpha^n} \mathrm{Hom}_R\left(H_{n}(X,A;R),M\right)\to 0.\end{gather*}
$$ Diese Sequenzen sind natürlich in $(X,A)$ und $M$. Es gibt Spaltungen $\sigma_n$ und $\sigma^n$ von $\beta_n$ und $\beta^n$. Diese sind natürlich in $M$, jedoch nicht in $(X,A)$.
Beweis von 2.4.1. Die Randabbildungen $\partial_n\colon P_n\to P_{n-1}$ induzieren kurze exakte Sequenzen $$0\to\ker\partial_n\to P_n\to \mathrm{im}\,\partial_n\to 0.$$ Als Untermoduln der freien Moduln $P_n$ und $P_{n-1}$ sind $\ker\partial_n$ und $\mathrm{im}\,\partial_n$ frei und insbesondere projektiv. Betrachten wir $\ker\partial_*=\left(\ker\partial_n,0_n\right)_{n\in\mathbb Z}$, wie auch $\mathrm{im}\,\partial_*=\left(\mathrm{im}\,\partial_n,0_n\right)_{n\in\mathbb Z}$, als Kettenkomplexe mit trivialer Randabbildung, so fügen sich die obigen kurzen exakten Sequenzen zusammen zu einer kurzen exakten Sequenz $$0\to\ker\partial_*\to P_*\to \mathrm{im}\,\partial_*\to 0$$ von projektiven Kettenkomplexen. Anwendung der Funktoren $-\otimes_RM$ und $\mathrm{Hom}_R(-,M)$ führt zu kurzen exakten Sequenzen von Kettenkomplexen $$\begin{gather*}
0\to\ker\partial_*\otimes M\to P_*\otimes M\to \mathrm{im}\,\partial_*\otimes M\to 0\\
0\to\mathrm{Hom}_R\left(\mathrm{im}\,\partial_*,M\right)\to \mathrm{Hom}_R\left(P_*,M\right)\to \mathrm{Hom}_R\left(\ker\partial_*,M\right)\to 0.\end{gather*}$$ Applizieren von Homologie liefert uns entsprechend lange exakte Sequenzen. Insbesondere erhalten wir für jedes $n$ exakte Sequenzen $$ \begin{gather*}
\mathrm{im}\,\partial_{n+1}\otimes M\xrightarrow{\phi_{n+1}}\ker\partial_n\otimes M\to H_n(P_*\otimes M)\to \mathrm{im}\,\partial_n\otimes M\xrightarrow{\phi_n}\ker\partial_{n-1}\otimes M\\
\mathrm{Hom}_R\left(\ker\partial_{n-1},M\right)\xrightarrow{\phi^{n-1}}\mathrm{Hom}_R\left(\mathrm{im}\,\partial_n,M\right)\to \mathrm{Hom}_R\left(P_n,M\right)\to \mathrm{Hom}_R\left(\ker\partial_n,M\right)\xrightarrow{\phi^{n}}\mathrm{Hom}_R\left(\mathrm{im}\,\partial_{n+1},M\right).\end{gather*}$$ In der Mitte dieser exakten Sequenzen sehen wir schon die Moduln, die in der Mitte der zu beweisenden kurzen exakten Sequenzen stehen. Wir müssen also Kerne und Kokerne der Rand-Abbildungen $\phi_*$ und $\phi^*$ aus den langen exakten Homologiesequenzen identifizieren. Das führt uns zurück zum Beweis von 1.4.8. und dort auf das Schlangenlemma, angewandt auf das zweite dortige Diagramm. Im hiesigen Fall ist dieses von folgender Gestalt: \begin{matrix}
&&\ker\partial_{n+1} &\xrightarrow{}
& P_{n+1}/\mathrm{im}\,\partial_{n+2} &\xrightarrow{}
&\mathrm{im}\,\partial_{n+1}& \to & 0.
\\
&&\scriptstyle{0}\downarrow\phantom{\scriptstyle{0}}&
&\scriptstyle{\overline{\partial_{n+1}}}\downarrow\phantom{\scriptstyle{\beta_{n}}}&
&\scriptstyle{0}\downarrow\phantom{\scriptstyle{0}}&&
\\
0 &\to&\ker\partial_{n} &\xrightarrow{}
& \ker\partial_{n} &\xrightarrow{}
&\mathrm{im}\,\partial_{n}.& &
\end{matrix} Die verbindende Abbildung des Schlangenlemmas ist also nichts anderes als die Inklusionsabbildung $\iota_{n}\colon \mathrm{im}\,\partial_{n+1}\hookrightarrow \ker\partial_{n}$. Anwendung unserer Funktoren auf diese Inklusionsabbildung liefert $\phi_n=\iota_{n-1}\otimes\mathrm{id}_M$ und $\phi^n=\mathrm{Hom}_R(\iota_{n},\mathrm{id}_M)$. Aus den exakten Tor- und Ext-Sequenzen zur kurzen exakten Sequenz $$0\to \mathrm{im}\,\partial_{n+1}\xrightarrow{\iota_n} \ker\partial_{n}\to H_n(P_*)\to 0$$ erhalten wir exakte Sequenzen, die uns Kern und Kokern der Abbildungen $\phi_*$ und $\phi^*$ identifizieren lassen: $$\begin{gather*}
0\to \mathrm{Tor}_1^R\left(H_n(P_*),M\right)\to \mathrm{im}\,\partial_{n+1}\otimes M\xrightarrow{\iota_n\otimes \mathrm{id}_M=\phi_{n+1}} \ker\partial_{n}\otimes M\to H_n(P_*)\otimes M\to 0\\
0\to \mathrm{Hom}\left(H_n(P_*),M\right)\to \mathrm{Hom}_R\left(\ker\partial_n,M\right)\xrightarrow{\phi^{n}}\mathrm{Hom}_R\left(\mathrm{im}\,\partial_{n+1},M\right)\to \mathrm{Ext}^1_R\left(H_n(P_*),M\right)\to 0.
\end{gather*}$$ Damit wären die angegebenen kurzen exakten Sequenzen bewiesen.
Zur Konstruktion der Spaltabbildungen wählen wir für jedes $n$ eine Spaltung $r_n\colon P_n\to \ker\partial_n$. Diese existiert, da wir es mit einer kurzen exakten Sequenz von projektiven Moduln zu tun haben. Die Abbildung $$\ker\left(\partial_n\otimes 1\right)\hookrightarrow P_n\times M\xrightarrow{r\otimes 1} (\ker\partial_n)\otimes M\to H_n(P_*)\otimes M$$ bildet den Untermodul $\mathrm{im}\left(\partial_n\otimes 1\right)$ auf Null ab und induziert eine Abbildung $$\rho\colon H_n(P_*\otimes M)\to H_n(P_*)\otimes M$$ mit $\rho \circ\alpha_n=\mathrm{id}$, also eine Spaltung der kurzen exakten Sequenz.
In dem Diagramm $$\begin{matrix}
0\to \ker{\delta^n}\to& \mathrm{Hom}(P_n,M)&\xrightarrow{\delta^n}&\mathrm{Hom}(P_{n+1},M)\\
&\phantom{r}\uparrow{\scriptstyle r^*}&&\downarrow\\
0\to \mathrm{Hom}(H_n(P_*),M)\to& \mathrm{Hom}(\ker\partial_n,M)&\xrightarrow{\iota^*}&\mathrm{Hom}(\mathrm{im}\,\partial_{n+1},M)
\end{matrix}$$ sei ein $\phi\in \ker\iota^*$ gegeben. Dann gilt $r^*(\phi)=\phi\circ r\in\ker\delta^n$. Die Spaltung $\sigma^n$ ist induziert durch den Homomorphismus $\ker\iota^*\to \ker\delta^n$, $\phi\mapsto\phi\circ r$.
qed