Es sei $h^*$ eine Kohomologietheorie mit Werten in $R$-$MOD$.
2.2.1. Definition. Eine multiplikative Struktur, oder auch Cup-Produkt genannt, auf $h^*$ besteht aus einer Familie von $R$-bilinearen Abbildungen $$\begin{aligned}h^m(X,A)\times h^n(X,B)&\to h^{m+n}(X,A\cup B)\\ (x,x')&\mapsto x\cup x'\end{aligned}$$ für geeignete Triaden $(X;A,B)$, insbesondere gibt es sie für ausschneidende Triaden $(A\cup B;A,B)$ in $X$. Es gelten folgende Rechenregeln, welche unten erläutert werden: $$\begin{eqnarray}
f^*\left(x\cup x'\right)&=&\left(f^*x\right) \cup \left(f^*x'\right)\tag{Natürlichkeit}\\
\left(\delta a\right)\cup x&=&\delta_A\left(a\cup \iota_Ax\right)\tag{Stabilität }\\
x\cup \left(\delta b\right)&=&(-1)^{|x|}\delta_B\left(\iota_Bx\cup b\right)\tag{Stabilität }\\
1\cup x&=&x\cup 1=x\tag{Eins }\\
\left(x\cup x'\right)\cup x''&=&x\cup\left(x'\cup x''\right)\tag{Assoziativität }\\
x\cup x'&=&(-1)^{|x|\cdot|x'|}x'\cup x\tag{Kommutivität }
\end{eqnarray}$$
2.2.2. Erläuterungen.
- Das Cup-Produkt kann äquivalent als $R$-lineare Abbildung $$h^m(X,A)\otimes_R h^n(X,B)\to h^{m+n}(X,A\cup B)$$ formuliert werden. Eine kurze Einführung zum Tensorprodukt ist im Skript zur linearen Algebra zu finden. Man ersetze die dortigen Vektorräume über dem Körper $K$ durch Moduln über dem kommutativen Ring $R$. Aussagen und Beweise bleiben unverändert.
- Das Natürlichkeitsaxiom betrachtet das funktorielle Verhalten $f^*\left(x\cup x'\right)=\left(f^*x\right) \cup \left(f^*x'\right)$ des Produkts unter stetigen Abbildungen $f\colon (X;A,B)\to (\widetilde{X};\widetilde{A},\widetilde{B})$ von Triaden.
- Ist $\left(A\cup B;A,B\right)$ ausschneidende Triade für $h^*$, so wird in der ersten Stabilitätsgleichung die Kommutativität des folgenden Diagramms gefordert: $$
\begin{matrix}h^m(A)\otimes_R h^n(X,B)&\xrightarrow{\mathrm{id}\otimes\iota_A}h^m(A)\otimes_R h^n(A,A\cap B)\xrightarrow{\cup}h^{m+n}(A,A\cap B)
\xleftarrow{\cong}&h^{m+n}(A\cup B,B)\\
\scriptstyle{\delta\otimes\mathrm{id}}\downarrow\phantom{\scriptstyle{\delta\otimes\mathrm{id}}}&&\phantom{\scriptstyle{\delta_A}}\downarrow\scriptstyle{\delta_A}\\
h^{m+1}(X,A)\otimes_R h^n(X,B)&
\xrightarrow{\phantom{hierstehteinextralangerText}\cup\phantom{hierstehteinextralangerText}}
&h^{m+n+1}(X,A\cup B)\end{matrix}$$ Die zweite Stabilitätsgleichung beschreibt die Kommutativität eines analogen Diagramms bis auf einen Faktor $\pm 1$; dieser Faktor garantiert Konsistenz mit der Gleichung zur graduierten Kommutativität. - Es existiert ein Element $1\in h^0(P)$ für den einpunktigen Raum $P$ und mit der eindeutigen Abbildung $\pi\colon X\to P$ auch das Element $1:=\pi^*(1)\in h^0(X)$ für jeden topologischen Raum $X$. Dieses Element wirkt als Eins bezüglich des Cup-Produktes: Ist $x\in h^k(X,A)$, so gilt $$1\cup x=x\cup 1=x\in h^k(X,A).$$
- Die Assoziativitätsgleichung $\left(x\cup x'\right)\cup x'' = x\cup\left(x'\cup x''\right)$ ist gefordert, sobald die Ausdrücke auf beiden Seiten der Gleichung definiert sind.
- Wegen des auftretenden Vorzeichens wird die durch die Gleichung $x\cup x'=(-1)^{mn}x'\cup x$ für $x\in h^m(X,A)$ und $x'\in h^n(X,B)$ beschriebene Eigenschaft als graduierte Kommutativität oder auch (in Physikerkreisen) als Super-Kommutativität bezeichnet.
2.2.3. Bemerkungen. Den Axiomen entsprechend treten folgende Strukturen bei multiplikativen Kohomologietheorien auf:
- Die Kohomologie $h^*(X,A)$, oder etwas exakter $\oplus_{n\in \mathbb Z}h^n(X,A)$, ist eine graduiert kommutative $R$-Algebra.
- Ist $A=\emptyset$, so besitzt diese Algebra eine Eins.
- Darüber hinaus ist $h^*(X,A)$ ein $h^*(X)$-Linksmodul und, vermittels des Ringhomomorphismus $\pi^*\colon h^*(P)\to h^*(X)$ auch ein $h^*(P)$-Linksmodul.